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Unterstützung für Pflegefachfrauen im Klimakterium

Schätzungen nach durchleben aktuell über eine Milliarde Frauen die Wechseljahre. Zwei von drei Frauen haben Symptome, die sich auf das Arbeitsleben auswirken – eine Herausforderung für Arbeitgeber:innen auch im Gesundheitswesen. Denn diese stehen in der Verantwortung, ein Arbeitsumfeld zu schaffen,
in dem Frauen auch in dieser Phase arbeiten können. Wie kann die weibliche Arbeitskraft in Zeiten des Fachkräftemangels erhalten werden?

Text: Melanie M. Klimmer

Zusätzlich zu ihrem Beruf tragen Frauen meist die, noch immer als «typisch weiblich» definierte, soziale Hauptverantwortung für wichtige gesellschaftliche Aufgaben, wie in der Pflege von Angehörigen und der Versorgung der Kinder. Aufgrund der älter werdenden Gesellschaft kommt oft hinzu, dass Frauen sich in einer Sandwichsituation zwischen Generationen befinden, die Unterstützung benötigen. Die damit verbundene organisatorische und mentale Mehrbelastung wird dabei häufig nicht gesehen. Sie kann dazu führen, dass Frauen dem Arbeitsmarkt nicht vollumfänglich zur Verfügung stehen und nur in Teilzeit arbeiten können. In einer anspruchsvollen gesundheitlichen Phase wie den Wechseljahren, wird jedoch manch einer Frau stärker als zuvor bewusst, dass sie das persönliche Wohlbefinden in den Fokus rücken und umfassender begreifen muss und in Familie und Beruf nicht unentwegt funktionieren kann.

Arbeitgeber:innen in der Pflege, der Geburtshilfe oder der Rettung stehen in der Verantwortung, ein möglichst diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld für Frauen sicherzustellen. Gerade auch dann, wenn diese frauenspezifische physiologische Veränderungen durchleben, sei es in der Schwangerschaft oder im Klimakterium. Der Gender Pay Gap (Verdienstabstand pro Stunde zwischen Frauen und Männern), der auch in Verbindung mit dem Durchleben des Klimakteriums und den daraus hervorgehenden beruflichen Nachteilen für Frauen in einer längeren Erwerbsarbeitsphase entsteht, kann durch strukturelle Nachbesserungen verringert werden. Die klimakterischen Symptome können so ausgeprägt sein, dass es einen anderen strukturellen Rahmen braucht, um die negativen Auswirkungen auf Arbeitsleben und Karriere der Frau zu reduzieren.

Um es Frauen zu erleichtern, am Arbeitsmarkt gleichberechtigt teilzuhaben, und dafür Sorge zu tragen, dass ihnen aufgrund ihres Geschlechts keine Nachteile entstehen, müssen Personalverantwortliche einen genaueren Blick werfen auf die direkten und indirekten Auswirkungen der Arbeitsstrukturen in dieser Übergangsperiode (menopausale Transition) bis nach der Menopause. Etwa 95 Prozent der Frauen erleben die Menopause zwischen ihrem 45. und 55. Lebensjahr (SGEM, 2022).

 

Was im Körper geschieht

Sinken die Hormonspiegel, insbesondere der schützenden Östrogene, können zum Teil erhebliche Beschwerden auftreten. Ausprägung und Varianz sind dabei sehr individuell. Entsprechend herausforderungsvoll können strukturelle Anpassungen am Arbeitsplatz werden. Über 30 Symptome wurden bislang identifiziert. Als sehr belastend werden die vasomotorischen Symptome, wie Hitzewallungen, Schlafstörungen sowie Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen (engl. auch «brain fog», Gedankennebel) beschrieben. Diese Symptome treten vor allem in den zwei bis drei Jahren vor der letzten Menses und noch einige Jahre danach auf (RCN, 2021). Die körperliche, psychische und mentale Belastung kann bei etwa einem Drittel der Frauen so stark werden, dass sie nicht mehr ohne Unterstützung auskommen und sich überlegen, ihre Arbeit deswegen aufzugeben. Ein weiteres Drittel der Frauen zeigt mässige und nur ein Drittel leichte klimakterische Symptome (SGEM, 2022). Abhängig vom Geschlecht zum Zeitpunkt der Geburt, den durchgeführten Operationen und der Einnahme von Hormonen können auch Transpersonen, non-binäre und intersexuelle Mitarbeitende klimakterische Beschwerden durchleben und mehrfache Diskriminierung erfahren (NHS, 2022a).

 

Die Auswirkungen


Wie Daten aus einer Umfrage des Chartered Institute of Personnel and Development (CIPD, 2023) mit mehr als 2000 Gesundheitsfachpersonen im Alter zwischen 40 und 60 Jahren belegen konnten, die für den Nationalen Gesundheitsdienst von England (National Health Service NHS) arbeiten, wirkten sich bei 67 Prozent der Befragten die klimakterischen Symptome negativ auf das Arbeitsleben aus; 53 Prozent mussten sich aufgrund ihrer Symptome krankmelden; ein Viertel zog in Betracht, wegen mangelnder Unterstützung ihrer Arbeitgeber die berufliche Tätigkeit sogar aufzugeben, und sechs Prozent setzten diese Überlegung in die Tat um. Wie das CIPD zudem feststellte, erleben Frauen im Klimakterium zusätzliche Diskriminierung, wenn diese eine Behinderung haben (36% gegenüber 24% bei nicht behinderten Frauen) oder einer ethnischen Minderheit angehören (38% gegenüber 25% bei weissen Frauen). Für die persönliche Karriere kann das Klimakterium einen Einschnitt bedeuten. So stellt etwa ein Fünftel der Frauen fest, Nachteile gegenüber Männern zu haben. Die Auswirkungen auf ihr unmittelbares Einkommen, ihre späteren Rentenbezüge und die persönliche Einkommenssicherheit sind gross (s. auch Evandrou et al., 2021). 

 

Hohe Kosten durch Absentismus


Im angeschlagenen NHS in Grossbritannien, dem grössten Arbeitgeber Europas, sollen offenbar bereits knapp eine Million Frauen aufgrund von klimakterischen Symptomen ihre Arbeit aufgegeben haben. Frauen stellen 76 Prozent der gesamten Belegschaft. Ein Fünftel der Beschäftigten – unverzichtbare 260 000 Frauen – befinden sich in der Perimenopause. Der NHS England hat die Herausforderungen erkannt und will dieser Entwicklung gegensteuern, denn der errechnete Schaden durch das Fernbleiben vom Arbeitsplatz (Absentismus) beträgt nach einer Modellrechnung umgerechnet knapp 272 Millionen Schweizer Franken jährlich. Nicht eingerechnet dabei sind die Kosten für weniger produktive Arbeitsphasen, in denen Mitarbeiterinnen akute Symptome haben und am Arbeitsplatz dennoch Dienst tun (Präsentismus).

Umfragen unter Mitarbeiterinnen im britischen NHS haben ergeben, dass eine starke Korrelation besteht zwischen der Mitarbeiterbindung und der Wahrnehmung beziehungsweise Nicht-Wahrnehmung der Bedürfnisse von Frauen an ihrem Arbeitsplatz (NHS 2022a). Ob sich die weiblichen Beschäftigten wohlfühlen, wirkt sich zudem auf die Stärke ihrer klimakterischen Symptome, ihre Effektivität und ihre Beziehungen aus (NHS 2022b). Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt das CIPD: 84 Prozent der Frauen, die unter klimakterischen Symptomen leiden und sich an ihrem Arbeitsplatz nicht unterstützt fühlen, stellen negative Auswirkungen auf ihre Arbeit fest. Das sagen hingegen nur 71 Prozent der Frauen, die Unterstützung erfahren (CIPD, 2023; vgl. Evandrou et al., 2021). Und so investiert der NHS in eine Strategie, von der er sich positive Effekte auf die Bindung seiner Mitarbeiterinnen, eine höhere Produktivität und mehr Anwesenheit am Arbeitsplatz verspricht, um so dem dramatischen Verlust an weiblichen Arbeitskräften entgegenzuwirken. 

 

Unterstützung schaffen


Der britische NHS lancierte spezielle Unterstützungsprogramme für Mitarbeitende (EPA/Employee Assistance Programmes), wie das «NHS Menopausen-Erleichtungerungs-Programm» oder das «Wohlbefinden-Unterstützungsprogramm», die darauf abzielen, das Erfahrungspotenzial und die Fähigkeiten von Frauen im und für den NHS zu erhalten. Im Fokus der Massnahmen stehen vor allem die strukturellen Anpassungen zur besseren Einbindung und Personalsteuerung von Frauen mit klimakterischen Symptomen am Arbeitsplatz. Der britische NHS hat dazu Leitfäden für Personalverantwortliche und Mitarbeitende entwickelt und wirbt für eine vertrauensvolle und Sicherheit bietende Arbeitskultur (NHS, 2022a und b; The Staff, 2020).Der staatliche Gesundheitsdienst in England empfiehlt vor allem weitreichende strukturelle Massnahmen am Arbeitsplatz zur Unterstützung von Frauen mit klimakterischen Symptomen. Nachhaltige Verbesserungen werden schon bald für das Pflegemanagement sichtbar, nämlich beim Rückgang von Fehlzeiten und Personalfluktuation und bei den Stabilitätsraten. Aufgrund der Vielzahl an möglichen Symptomen ist ein flexibler Rahmen entscheidend, der Raum für individuelle Anpassungen zulässt. 

 

Der Menopausenpass


«Wenn Sie Ihre Mitarbeiter:innen wertschätzen und unterstützen, erhalten Sie Ihre Investition zehnfach zurück», sagte Wendy Madden (Palfrey, 2023). Sie ist die Ideengeberin und Gründerin für den sogenannten Menopausenpass, der mittlerweile in verschiedenen, auch nichtstaatlichen, britischen Institutionen mit einem hohen Frauenanteil der Beschäftigten adaptiert wird. Er erinnert an einen Reisepass, mit dem die Frau bestmöglich durch ihre persönliche menopausale Transition kommt. Die dort dokumentierten Symptome dienen der Strukturierung der Gespräche zwischen Personalverantwortlichen und Mitarbeiterinnen, um nötige Massnahmen zur Verbesserung der individuellen Arbeitsbedingungen der Frau herzuleiten sowie die entsprechende Unterstützung im Team zu organisieren (RCN 2023; Palfrey, 2023). Wendy Madden hatte selbst starke klimakterische Symptome durchlebt und stand deshalb ihrem Arbeitgeber fast ein Jahr lang nicht zur Verfügung. Sie erkannte, dass sie kein Einzelfall ist, und begann sich da­raufhin für die Belange der Frauen an ihrem Arbeitsplatz zu engagieren, die, ebenso wie sie, unter klimakterischen Symptomen leiden. Heute ist die Pflegefachfrau Projektmanagerin für Menopausenangelegenheiten am Queen Elizabeth Militärspital von Birmingham und macht sich dort und darüber hinaus für Verbesserungen im britischen NHS stark.

 

Menopause als geschütztes Merkmal


Im Rahmen struktureller Verbesserungen im Nationalen Gesundheitsdienst in England wurde in den letzten zwei Jahren im Vereinigten Königreich (UK) auch darüber diskutiert, die Menopause als geschütztes Merkmal im Gleichstellungsgesetz zu verankern. In seinem Bericht vom Juli 2022 hatte ein parteiübergreifender Ausschuss für Frauen und Gleichstellung von der britischen Regierung genau das gefordert und ausserdem empfohlen, für Frauen, die durch unsensible und starre Krankheitsregelungen aus dem Arbeitsleben gedrängt würden, gesetzliche Regelungen für einen sogenannten Menopausenurlaub zu schaffen und in Pilotprojekten im öffentlichen Sektor zu erproben. Die Empfehlungen des Ausschusses scheiterten (nach zwei Regierungswechseln) am Widerstand der damaligen Regierung unter Premier Rishi Sunak. Die Minister:innen begründete die Entscheidung damit, keine unbeabsichtigten, neuen Formen der Diskriminierung, zum Beispiel gegenüber chronisch kranken Männern, schaffen zu wollen (BBC, 2023).

Grundlage parteiübergreifender Initiativen für Frauen im Klimakterium ist der sogenannte Equality Act 2010. Die Umsetzung dieses Gleichstellungsgesetzes zog weitreichende Gesetzesanpassungen nach sich und stärkt seitdem die Bemühungen gegen jede Form der Diskriminierung im Vereinigten Königreich. Die Diskussion um die rechtliche Stärkung von Frauen an ihrem Arbeitsplatz, wenn diese unter klimakterischen Symptomen leiden, ist eine konsequente Folge mit Blick auf die Beseitigung direkter und indirekter Diskriminierung – nicht nur in England. 

 

Blick in die Schweiz


Das Diskriminierungsverbot in Arbeitsverhältnissen aufgrund des Geschlechts ist auch seit 28 Jahren im Schweizer Gleichstellungsgesetz (GlG) sowie in Artikel 3 der Bundesverfassung von 1981 rechtlich fest verankert. Dort heisst es, dass Arbeitnehmer:innen «nicht aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert werden dürfen, weder direkt noch indirekt, auch nicht … im Fall … einer Schwangerschaft». Das Klimakterium wird dort zwar nicht explizit genannt. Da es jedoch zu negativen Auswirkungen und Diskriminierungen am Arbeitsplatz führen kann, sollte dieses keine Ausnahme darstellen. Das in den Blick zu nehmen, gerade in einer Zeit, in welcher der Fachkräftemangel ein grosses Problem darstellt, ist eine neue Herausforderung für Schutzbeauftragte bei Kantonen, Gewerkschaften, Verbänden und auch für das Personalmanagement in Spitälern und bei der Spitex.

In einer Fürsorgekultur von gegenseitiger Rücksichtnahme, Empathie und Solidarität, in welcher ein offener und bewusster Umgang mit dem Klimakterium gepflegt wird und dieses kein Tabu mehr darstellt, können sich Frauen sicher und gestärkt fühlen. Flexible Arbeitszeitmodelle, weibliche Fürsprecherinnen und diverse Unterstützungsmassnahmen können das Wohlbefinden am Arbeitsplatz und die Produktivität deutlich erhöhen und so Abwanderung aus dem Pflegeberuf entgegenwirken. Frauen, die Wertschätzung auch in der menopausalen Transition erfahren, können gestärkt daraus hervorgehen.

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