
Arbeitsalltag einer ganz normalen Heldin
Einmal eine Pflegefachfrau während eines Arbeitstages begleiten und erfahren, was sie alles leistet und erlebt, das bietet der Schweizer Kinofilm «Heldin», der ab Ende Februar in den Deutschschweizer Kinos zu sehen ist. Der Film ist eine Liebeserklärung an die Pflegenden und den Einsatz, den sie leisten.
Autorin: Nicole Eggimann, Fotos: Zodiac Pictures
Sucht man in der Film- und Serienlandschaft nach einer spannenden und akkuraten Repräsentation der Pflege, wirds eng. Die gemeinnützige Organisation «The Truth About Nursing», die jährlich die beste Darstellung von Pflege in den Medien prämiert, fand mit «Call the Midwive» und «Virgin River» zwei gute Beispiele für Serien, die den Pflegefachpersonen Fachwissen und eigenständige Leistungen zugestehen. Mit ihrem neuen Kinofilm «Heldin» geht Regisseurin und Drehbuchautorin Petra Volpe einen grossen Schritt weiter. Sie stellt die Zuschauer:innen in die Schuhe einer Pflegefachfrau und lässt sie einen realistischen Dienst miterleben und mitfühlen. Am Ende des Films ist man als Zuschauer:in richtiggehend erschöpft, weil es sich anfühlt, als hätte man die Schicht mitgearbeitet, und man hat ein eine Ahnung davon erhalten, was es für Patient:innen bedeutet, wenn auf der Station Personalmangel herrscht: Im besten Fall ein wenig Verzögerung, im schlimmsten Fall der Tod. Dies nicht, weil die Pflegefachperson untätig, zu wenig kompetent oder langsam wäre, sondern weil eine Person schlicht nicht an mehreren Orten gleichzeitig sein kann. Der Film eröffnet den Zuschauer:innen eine neue Perspektive, und das hat die Pflege längst verdient. Mehr noch, er ist in diesem Jahr 2025, in dem das Parlament über das Paket 2 der Pflegeinitiative entscheidet, von grossem Wert. Denn die Menschen – darunter hoffentlich Politiker:innen und Entscheidträger:innen –, die sich den Film anschauen, werden sehen, dass es ein Unterschied ist, ob man beispielsweise im Restaurant oder in einer Servicehotline eine halbe Stunde länger wartet oder ob jemand leidet oder gar stirbt, weil in ebendieser halben Stunde niemand da ist, weil eine Stelle nicht besetzt werden konnte.
Pflege im Zentrum
Im Zentrum des spannenden Dramas steht Pflegefachfrau Floria, verkörpert von der preisgekrönten Schauspielerin Leonie Benesch. Floria tritt ihren Spätdienst auf einer viszeralchirurgischen Abteilung eines Schweizer Spitals voller Elan an – in neuen Sneakers, die am Ende des Tages etwas lädiert sein werden, wie Floria auch. Die Station, auf der in kleinen Nebenrollen auch echte Pflegefachpersonen zu sehen sind, ist voll belegt, aber unterbesetzt. Floria, ihre Kollegin sowie eine Studierende teilen sich die Zuständigkeiten auf. Gleich zu Beginn ihrer Schicht wird der Zeitplan durcheinandergebracht, weil ein Patient, der operiert werden soll, zu spät auftaucht und auch keinerlei Anstalten macht, sich zu beeilen, zu beschäftigt ist er mit eigenen Telefonaten. Hinter jeder Zimmertür verbirgt sich ein Schicksal und eine Geschichte. Da ist eine schwerkranke Mutter, die sich fragt, ob sich eine weitere Operation lohnt. Dort liegt ein einsamer Mann, der dringend auf seine Diagnose wartet und sich sorgt, was aus seinem Hund würde, wenn er nicht mehr da wäre. Ein anspruchsvoller und ebenso ungeduldiger Privatpatient wünscht, bedient zu werden, während eine demente Frau durch das Telefonat ihrer Tochter durcheinandergerät und verzweifelt. Es ist ein anrührender Moment, als Floria mit der verwirrten Frau «Der Mond ist aufgegangen» singt und diese sich sofort beruhigt. Kompetent, routiniert und sehr menschlich arbeitet Floria ihre Aufgaben eine nach der anderen ab, nimmt sich die nötige Zeit, die sie eigentlich nicht hat, für ihre Patient:innen mit deren medizinisch-pflegerischen wie auch persönlichen Themen. Ständig wird sie unterbrochen von neuen Aufgaben, Tempo und Druck erhöhen sich merklich von Arbeitsstunde zu Arbeitsstunde. «Das kann sie unmöglich durchhalten», denkt man beim Zuschauen, während Floria immer noch freundlich, aber mittlerweile etwas gehetzt, ihre Aufgabe erledigt. Schliesslich kommt es, wie es kommen musste, Floria unterläuft ein Fehler …
Die Verkörperung der Pflege
Leonie Benesch lässt Floria zum Leben erwecken. Sie spielt nicht, sondern ist eine äusserst kompetente Pflegefachfrau, wie man sie sich als Patientin wünscht. Sie zeigt, wie vielseitig, interessant und wichtig dieser Beruf ist und eben nicht zuletzt auch heldenhaft. Das Heldenhafte sieht Regisseurin Petra Volpe nicht in Fantasiefiguren, sondern darin, sich auch bei grossem Druck die Menschlichkeit zu bewahren.
Sie führte im Vorfeld lange Gespräche mit Pflegefachpersonen und recherchierte in einem Spital vor Ort. Sie sagt, dass sie oft Filme mache, bei denen eine Form von Ungerechtigkeit bestehe, wo sie etwas wütend mache. «Je mehr ich über das Thema erfahren habe, desto mehr hat mein Herz gebrannt für Pflegefachpersonen. Ich wollte ihnen ein Denkmal setzen, den Menschen, aber auch der Arbeit an sich.» Das ist ihr gelungen. Denn hier wird nicht nur auf Missstände im System hingewiesen. Der Film bietet darüber hinaus Spannung, eine packende Geschichte und beste Unterhaltung. Und er stellt die Pflegenden und ihre Arbeit für einmal ins Rampenlicht, sodass die, die sonst alles im Auge behalten müssen, für einmal im Mittelpunkt stehen und selbst gesehen werden.
- Der ganze Artikel mit Interviews mit der Regisseurin Petra Volpe und der Fachberaterin Nadja Habicht sind im Onlinemagazin oder der Printausgabe der Zeitschrift zu lesen.