EFAS: was spricht dafür und was spricht dagegen?

Nach 15 Jahren Verhandlungen hat das Parlament mit der Einheitlichen Finanzierung von Ambulant und Stationär (EFAS) neue Finanzierungsregeln verabschiedet. Dagegen wurde das Referendum ergriffen. Für den Zentralvorstand des SBK bietet die Vorlage für die Pflege Vor- wie auch Nachteile. Der Artikel erklärt, was für und was gegen EFAS spricht.

Text: Maria Rosa Joller
Mit EFAS soll die Finanzierung im Gesundheitswesen neu geregelt werden. Gegen die Vorlage wurde das Referendum ergriffen. Der SBK Zentralvorstand hat entschieden, sich nicht zum Referendum zu positionieren und bei einer allfälligen Abstimmung Stimmfreigabe beschlossen. Die Vorlage biete aus der Sicht der Pflege Vor- und Nachteile. Dieser Artikel soll als Grundlagen für eine fundierte Meinungsbildung dienen.

 

Neue Regelung der Finanzierung im Gesundheitswesen: EFAS

Im Dezember 2023 hat das Parlament nach 15 Jahren Verhandlungen neue Finanzierungsregeln für das Gesundheitswesen verabschiedet. Mit der einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen werden die Finanzierungsströme vereinheitlicht. Heute ist es unterschiedlich geregelt, wie viel die Kantone und die Krankenversicherungen an die Leistungen im stationären Spitalbereich und im ambulanten Bereich (Arztbesuche, Therapien, ambulante Eingriffe etc.) bezahlen. Die Rechnungen von stationären Aufenthalten bezahlen die Kantone zu 55 Prozent (Steuern) und die Krankenversicherungen zu 45 Prozent (Prämien). Die Leistungen im ambulanten Bereich werden heute zu 100 Prozent von den Krankenversicherern über Prämiengelder vergütet. Wichtig zu wissen ist, dass durch EFAS die Tarifsysteme (SwissDRG, ST Reha, TarPsy oder die ambulanten Tarife) nicht verändert werden.

Die zunehmende Verlagerung nach dem Grundsatz «ambulant vor stationär» von den teureren stationären zu den günstigeren ambulanten Behandlungen ist gesamtwirtschaftlich gewünscht und sinnvoll. Aufgrund der unterschiedlichen Finanzierung der ambulanten und stationären Leistungen führt dies aber mit den aktuellen Finanzströmen zu Fehlanreizen und weiteren Prämienerhöhungen.

Mit der einheitlichen Finanzierung von ambulant und stationär (EFAS) wird der Finanzierungsschlüssel vereinheitlicht. Neu sollen Versicherer und Kantone nach einem fixen Schlüssel den immer gleichen Finanzierungsanteil übernehmen – egal, ob die Leistung ambulant oder stationär durchgeführt wurde. Aktuell beinhaltet dieser Schlüssel 26,9 Prozent Kantonsfinanzierung und 73,1 Prozent Prämienfinanzierung.

 

Zentrale Frage: EFAS mit oder ohne Pflege

Dass Krankenversicherer, Kantone und der Bund trotz unterschiedlichen Interessen eine mehrheitsfähige Lösung gefunden haben, ist bemerkenswert. Eine zentrale Forderung der Kantone war von Anfang an, dass die Finanzierung der Pflegeleistungen in der Spitex und im Heim ebenfalls in die Vorlage einbezogen werden. Aufgrund der demografischen Entwicklung wird in diesem Bereich ein Kostenwachstum erwartet. Heute bezahlen die Krankenversicherungen die Pflegeleistungen mit  einem fixen Anteil und die Kantone sind für die Finanzierung der Restkosten zuständig. Das Parlament hat beschlossen, dass die Integration der Pflege nach sieben Jahren erfolgen soll.

 

Forderungen des SBK im parlamentarischen Prozess

Der SBK hat sich im politischen Prozess aktiv eingebracht. Während EFAS für den stationären und ambulanten Bereich keinen Einfluss auf die Tarifsysteme hat, ist mit dem Einbezug der Pflege in EFAS aufgrund der speziellen Form der Finanzierung im Pflegebereich ein neuer, schweizweiter Tarif notwendig. Der SBK hat gefordert, dass dieser neue Tarif kostendeckend sein muss, insbesondere um die Forderungen der Pflegeinitiative umsetzen zu können. Auf diese Forderung wurde eingegangen und ein entsprechender Passus im Gesetz aufgenommen.

Zudem hat der SBK gefordert, in allen Einrichtungen Einsitz zu haben, in denen Tarife entwickelt werden. Im Gesetz gibt es dazu keine Angaben, jedoch war es durchaus Thema in der Ratsdebatte, und in den Protokollen wurde festgehalten, dass diese Forderung besteht.

Der SBK hat zudem die Meinung vertreten, dass die Steuerung des Gesundheitssystems demokratisch legitimiert sein muss. Es geht um die Verwendung von Steuergeldern und obligatorischen Versicherungsprämien in Milliardenhöhe. Die finanzielle Steuerung kann nicht den Kassen allein überlassen werden. Das Parlament hat auch in diesem Punkt einen Kompromiss gefunden. Die Versicherer teilen sich die Finanzierung auch im ambulanten Bereich neu mit den Kantonen. Die Kantone erhalten zusätzliche Steuerungsmöglichkeiten und ein finanzielles Interesse, diesen Bereich besser zu beaufsichtigen.

 

Referendum der Gewerkschaften

Bereits 2019 hat der VPOD im Grundsatz das Referendum gegen EFAS beschlossen. Im 2023 wurde dieses von seinem Kongress bestätigt. Die Umsetzung von EFAS würde gemäss VPOD sowohl die Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals als auch die Qualität der Leistungserbringung in der Langzeitpflege stark gefährden. Zudem drohe mit dieser Reform ein weiterer Prämienschub. Deshalb unterstützt der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) den VPOD bei der Unterschriftensammlung für das Referendum.

 

Argumente der Befürworter:innen von EFAS

  • EFAS beschleunigt die Ambulantisierung. Im Vergleich zum Ausland werden in der Schweiz viel weniger Leistungen ambulant erbracht. Durch die Ambulantisierung erhofft sich
    die Gesundheitspolitik beträchtliche Einsparungen. Bisher hatten die Versicherer kein Interesse, den ambulanten, zu 100 Prozent prämienfinanzierten Anteil zu fördern.
  • Der Einbezug der Pflege in EFAS sorgt für die einheitliche Finanzierung über Kantone hinweg. Ein einheitlicher Pflegetarif bietet Chancen für angemessene Abgeltung der Pflegeleistungen, fördert die Transparenz und kantonale Unterschiede fallen weg.
  • Reduktion der Komplexität und Förderung der koordinierten Versorgung. Werden alle Gesundheitsleistungen gleich finanziert, sinkt die Komplexität und es steigert das Bewusstsein, dass eine möglichst gute, koordinierte, effiziente Gesundheitsversorgung im Zentrum stehen sollte.
  • Die Kantone steuern weiterhin die Gesundheitsversorgung: Die Versicherer teilen sich die Finanzierung auch im ambulanten Bereich neu mit den Kantonen. Die Kantone erhalten dadurch zusätzliche Steuerungsmöglichkeiten und ein finanzielles Interesse, diesen Bereich besser zu beaufsichtigen. Auch wenn der Finanzierungsanteil der Kantone im stationären Bereich sinkt, bleibt die Genehmigung der Tarife, die Zulassung von Leistungserbringenden und die Vergabe von Leistungsaufträgen unverändert bei den Kantonen.


Argumente der Gegner:innen von EFAS

  • Die koordinierte Versorgung wird durch EFAS nicht gestärkt. Das Grundproblem liegt bei den Anreizen, welche sich aus den heutigen Tarifsystemen ergeben. Die Anreize, welche die Tarife setzen, bleiben auch mit EFAS gleich.
  • EFAS ist keine Lösung gegen den Anreiz zur Mengenausweitung im Gesundheitswesen. Alle Leistungserbringer haben weiterhin den Anreiz mehr Leistungen zu erbringen.
  • Mit EFAS wird die demokratisch legitimierte
    Steuerungskompetenz abgebaut. Versicherer erhalten mehr Macht in der Steuerung des Gesundheitswesens, während jene der Kantone geschwächt wird. Die Versicherungen werden rund 75 Prozent der Gesamtkosten tragen.
  • Steigender Druck auf Gesundheitspersonal wegen der Unterfinanzierung in der Langzeitpflege. Weil die Steuerungsmacht der Versicherungen mit EFAS zunimmt steigt der Druck aufs Personal. Die bestehende Unterfinanzierung der Langzeitpflege wird zementiert, wenn basierend auf heutigen Daten – ohne, dass die Pflegeinitiative umgesetzt ist – Tarife entwickelt werden.


Position des SBK zum Referendum gegen EFAS

Die Vorlage bietet wie in diesem Artikel beschrieben Vor- und Nachteile. Der Zentralvorstand hat am 18. Januar 2024 einstimmig entschieden, sich nicht zum Referendum der Gewerkschaften gegen EFAS zu positionieren und hat zudem Stimmfreigabe beschlossen. Im parlamentarischen Prozess zu EFAS hat der SBK aktiv auf die kritischen Punkte der Vorlagen hingewiesen.

Viele Punkte, die der SBK kritisiert hat, wurden im Prozess ins Gesetz aufgenommen, insbesondere die kostendeckenden Tarife. Für den SBK hat die Umsetzung der Pflegeinitiative höchste Priorität. Hier muss der SBK eine Führungsrolle einnehmen.

LOGIN Mitglied werden