Evolution und Transformation: künftige Herausforderungen lösen
Zugang zu Gesundheitsversorgung und Ethik, digitale Transformation, Verhaltensänderung und Wissenschaft waren die Keynote-Themen des Kongresses. Als Publikumsmagnet erwies sich die Politdebatte zur Umsetzung der Pflegeinitiative und der Lage der Pflegenation. «Wann wird es endlich besser?», war die grosse Frage der Besucher:innen
Text: Nicole Eggimann, Fotos: Martin Glauser
Aufgeschlossen und freudig war die Stimmung, als die Türen sich öffneten und die Besucherinnen und Besucher am Donnerstagmorgen in den Berner Kursaal strömten. Über 1000 Personen sollten es werden, die am grossen Treffen der Schweizer Pflege physisch oder online teilnahmen.
Reich an Inhalten und Inputs mit Keynotes, Workshops und Ateliers, mit Ständen von Ausstellern und Sponsoren und natürlich Akteur:innen aus der Pflege, bot der Kongress jede Menge Gedankennahrung sowie auch Möglichkeiten, sich in den Pausen auszutauschen und zu vernetzen. Eine grosse Frage und auch Erwartung schwebte 17 Monate nach dem Ja zur Pfleginitiative seitens der Pflegenden über dem Anlass: «Wann wird unsere Situation endlich besser?» Antwortansätze werden folgen.
«Zusammen sind wir stark»
Um viertel nach neun eröffnete SBK-Verbandspräsidentin Sophie Ley den Schweizer Pflegekongress 2023. «Unser Beruf ist ausschlaggebend für die Qualität der Pflege und die Pflege der Zukunft», sagte sie und betonte die Notwendigkeit von Investitionen in die Rahmenbedingungen, damit der Pflegeberuf richtig ausgeübt werden kann: «Zusammen sind wir stark», ermunterte sie die Anwesenden zum Start der Veranstaltung. Moderiert wurde der Pflegekongress gekonnt mehrsprachig von Susanne Kilian, die das Publikum in der Arena durch die beiden Tage führte. Wie in den vergangen Jahren auch wurden die Keynotes auf Deutsch und Französisch verdolmetscht.
Die ersten drei Vorträge des Tages beleuchteten verschiedene Aspekte eines Zugangs zur Gesundheitsversorgung und Ethik. Zwischen den Keynotes wurden in weiteren Räumen Sessions und Workshops zu einer Fülle an Themen in Deutsch und Französisch durchgeführt. Interesse wurde allen Themen entgegengebracht, einige Veranstaltungen übten grössere Faszination aus, wie beispielsweise der Hypnose-Workshop.
In der Mittagspause konnten die Besucher:innen sich an einem veganen Buffet stärken, an Stehtischen unterhalten, das Gehörte je nach persönlicher Vorliebe diskutieren oder setzen lassen. Zahlreiche Stände von SBK-Sektionen, Ausstellern und Sponsoren luden zum Stöbern und Sich-Informieren ein. Teilnehmer:innen schlenderten durch die Stände, wo sie an Aromaölen schnuppern, an Gewinnspielen teilnehmen oder sich über Give-Aways freuen konnten. Solchermassen gestärkt, ging es weiter ins Nachmittagsprogramm. Der erste Kongresstag schloss mit drei Vorträgen rund um die digitale Transformation. Dabei wurde das Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln, stets mit einem Fokus auf die Pflege vorgestellt. Die Pionierarbeit von Estland, aber auch aktuelle Schweizer Projekte des Bundes lassen einen erwartungsvoll in die Zukunft blicken.
Umsetzung der Pflegeinitiative: Wo stehen wir?
Wie leer gefegt wirkten die Gänge des Kursaals am Freitagmorgen. Die Leute waren nicht an den Ständen oder beim Kaffee anzutreffen, sondern sassen alle in der Arena und warteten gespannt auf Antworten. Denn dort wurde an diesem Morgen das Thema diskutiert, das alle Pflegenden betrifft und bewegt. «Ich bin eine Praktikerin», meinte eine Teilnehmerin, «die Vorträge sind interessant, aber hier geht es um mich, um meinen Alltag». Die Sprache war von der Politikdebatte zur Lage der Pflegenation. Manch eine:r ist 17 Monate nach Annahme der Pflegeinitiative mutlos oder wütend geworden oder wähnt sich in Vergessenheit geraten, weil im Pflegealltag keine Verbesserung spürbar ist. «Es freut mich zu hören, dass etwas geschieht», meinte ein Teilnehmer im Anschluss. «Aber die Kantone müssen vorwärtsmachen. Bei uns im Spital handeln wir, wenn ein Problem auftaucht, das muss zack, zack gehen. Ich verstehe nicht, warum das hier so lange dauert», sagte der Pflegefachmann, und sprach vielen Berufskolleg:innen damit aus der Seele.
Am Freitagnachmittag wurde gegen Schluss der Veranstaltung der Posterpreis verliehen. Die letzte Keynote war dem Thema Verhaltensänderung und Wissenschaft gewidmet. Doch mit Sabina De Geest und Christian Abshagen rundeten zwei namhafte Persönlichkeiten den Kongress ab und gaben den Teilnehmenden Inputs zur persönlichen Verantwortung in Umweltthemen respektive das Bewusstsein, dass die Pflegeforschung nur so gut ist wie ihre Umsetzung, mit auf den Nachhauseweg.
Massnahmen sind notwenig – und im Tun
Mit einer Fülle an Eindrücken und einigen Antwortansätzen auf die grosse Frage: «Wann wird unsere Situation besser?», verliessen die Teilnehmer:innen den Berner Kursaal. Eine rasche Umsetzung der Pfleginitiative ist notwendig. Flächendeckende Massnahmen für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege sind ebenso gefragt. Dazu gehören unter anderem Lohnerhöhungen oder Arbeitszeitreduktionen, eine massive Erhöhung der Schichtzulagen, zusätzliche Ferientage sowie Zuschüsse für die Kinderbetreuung. Aber auch die digitale Entwicklung mag mittelfristig Erleichterungen bringen oder - ganz praktisch - der Besuch eines Fachkongresses, der Anregungen und Projekte aus der Praxis vorstellt, die zum Teil auch mit wenig Aufwand im eigenen Haus umgesetzt werden können, nicht zu vergessen ist der Austausch mit andern Pflegefachpersonen oder Institutionen, wie es am Pflegekongress jedes Jahr wieder möglich ist.
Damit ist der Schweizer Pflegekongress 2023, der das zweite Mal unter diesem Label stattgefunden hatte, schon wieder zu Ende. Schön war es - wir freuen uns bereits wieder auf nächstes Jahr.
Save the Date: Der nächste Kongress findet am 2. und 3. Mai 2024 im Kursaal Bern statt.
Dieser Schwerpunkt erschien in der Ausgabe 6/2023 der Krankenpflege, der Fachzeitschrift des SBK.
11 Mal pro Jahr erscheint die dreisprachige Fachzeitschrift für die Pflege. Mitglieder des SBK erhalten sie frei haus. Andere Interessierte können die Fachzeitschrift abonnieren. Ein Jahresabonnement kostet 99 Franken.